Wie wir uns mit Trump arrangieren können
Kerken, 26.01.2025
Viele Dinge haben mich in der vergangenen Woche zusätzlich aufgeregt.
Angesichts der Amtseinführung von Donald Trump und seiner Antrittsrede fragten unsere Medien, wie wir in Europa den Ansprüchen und Herausforderungen Trump's begegnen sollten. Man war sich weitgehend einig in der Erkenntnis, dass wir uns darüber hätten schon viel früher Gedanken machen sollen.
Aber so ist der "Anspruchs-Bürger" nun einmal: schlafen bis man aus dem Bett geworfen wird.
Dass es dann aber oft zu spät ist, zeigt sich auch an den zunehmenden Konflikten mit nicht integrierten Emigranten bzw Flüchtlingen.
Wir wissen, was schief läuft, aber niemand kümmert sich darum. Stereotypische Ausreden sind stets, "wir haben kein Personal". Und dann werden zusätzliche Gelder gefordert. Wenn man genau hinsieht, sind das alles Alibi-Gründe, die über die eigene Bequemlichkeit und Unbeweglichkeit hinwegtäuschen sollen.
Ich gehöre zu den älteren Jahrgängen und höre diese ganzen Ausreden seit zu vielen Jahren. Und tatsächlich, die Verwaltungsapparate blähen sich auf, der Öffentliche Dienst wird immer teurer und trotzdem werden die Probleme immer größer. Da muss man zwangsläufig auf die Idee kommen, dass zusätzliche Gelder die Probleme nicht lösen, sondern verstärken.
Eine meiner persönlich frustrierendsten Erkenntnisse ist die, dass die Menschen nicht bereit und/oder in der Lage sind aus der Vergangenheit zu lernen.
Statt auf Bewährtem aufzubauen, werden alte Fehler wiederholt, teils mit modernem Namen als Innovation gefeiert. Diese Erkenntnis frustriert mich deshalb so sehr, weil ich darin auch den Grund sehe, dass seit Menschengedenken Kriege geführt werden. Schon in der übernächsten Generation ist das Leid des Krieges der Vätergeneration vergessen. Nach dem Motto "Zeit heilt alle Wunden", was soviel heißt, dass mit der Zeit das Leid in Vergessenheit gerät.
Wenn es heißt, dass die Weisheit im Alter kommt, dann spielt sich das in der Regel im stillen Kämmerlein des Einzelnen ab. Allerdings kommt es manchmal auch bei bekannten Persönlichkeiten vor.
Sigmar Gabriel ist ein Beispiel dafür, dass sein heute abgewogenes und perspektivisches Urteil mehr gefragt ist, als zu seiner Zeit als Vizekanzler in der Großen Koalition Merkel. Von 2013 bis 2018 war er Vizekanzler und mit seiner SPD immer weniger einer Meinung.
Heute wird er zu wichtigen politischen Ereignissen, insbesondere unsere Beziehungen zu den USA betreffend, um sein Urteil gefragt. Vom Deutschlandfunk wurde er unmittelbar nach der Amtseinführung von Trump zum Verhältnis Europas zu den USA befragt. Sein überraschender Vorschlag war, Kanada die Mitgliedschaft in der EU anzubieten.
Ob dieser Vorschlag eine Chance auf Realisierung hat, ist zunächst weniger wichtig, als die Botschaft an Trump, die in diesem Vorschlag mitschwingt.
So muss Politik heute aussehen: sich mit den Beweggründen der politischen Partner auseinandersetzen, ihre Ziele verstehen, für die eigene Position bewerten und nach Alternativen suchen, wie man darauf zum eigenen Vorteil reagieren kann.
Politische Entscheidungsfindung ist heute mehr denn je das Ergebnis eines systemtheoretischen Prozesses, an dessen Ende eine genau abgewogene Entscheidung steht. Ein solcher Prozess hat etwas mit kluger Führung der politischen Entscheider zu tun. Das ist eine völlig andere Vorgehensweise als die heute in unserem Land geübte Besserwisserei und Schlaubergertum, dem es nur zur Eigenprofilierung über die Medien ankommt.
Wenn wir in der Welt wieder ernst genommen und den Lauf der Geschichte mitbestimmen wollen, dann müssen wir mit der Bedeutung Europas als ökonomische und politische Kraft wuchern können.
Rainer Willing
Dipl.-Betriebswirt
Redakteur