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Drucken 03-09-2023 | Theken-Themen

Wir brauchen keinen Doppelwumms, sondern kluge Köpfe

Der politische Kommentar von Rainer Willing zur 35. KW

Kerken, den 3. September 2023

Zu den Ergebnissen der Ampel-Klausur von Schloß Meseberg wurde viel geredet, etwas Wesentliches war nicht dabei.
Was mir zur Arbeit der Ampel-Regierung einfällt, ist nicht das, was in diesen Zeiten erforderlich wäre.
Hier sind einige der wesentlichen Defizite:


1. Fehlende Ehrlichkeit
Statt zu sagen: wir werden die Ziele einer Schuldenbremse auf absehbare Zeitdauer nicht einhalten können, werden immer mehr Ausgaben vom ordentlichen Staatshaushalt in intransparente Schattenhaushalte verschoben. Die Intransparenz soll dem Bürger gegenüber Tatsachen verschleiern, die für die politisch Verantwortlichen unangenehm sind oder sogar Gesetzesverstösse darstellen.

2. Fehlender Mut
Die tatsächliche Situation des Staates, seiner Finanzen und der zu erwartenden wirtschaftlichen Perspektiven bleiben ungenannt, werden bewußt verschwiegen oder sie sind den politisch Verantwortlichen nicht bewußt.

3. Fehlende Strategie
Die Regierung beschäftigt sich mit Entscheidungen nachrangiger Art, kurzfristiger Natur und läßt langfristige strategische Orientierung vollständig vermissen.

CDU/CSU und SPD haben mehr als 20 Jahre Zeit verstreichen lassen, ohne eine seinerzeit bereits marode Verkehrsinfrastruktur auf Vordermann zu bringen. Will heissen: dem kontinuierlichen  Verfall der Verkehrsinfrastruktur wurde nicht durch Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen entgegengewirkt.
Sogar ein unfähiger Manager Mehdorn durfte die Bahn weiter ausbluten lassen, um sie "börsenfähig" zu machen. Ein vollkommener Unsinn wie wir heute wissen. Die Bahn ist der wichtigste Verkehrsträger zwischen Schiff und Strasse. Ihre Möglichkeiten sind längst nicht erkannt, geschweige den ausgeschöpft. 
Ähnlich der Investitionen in Rüstungsgüter, sind Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur Investitionen die von der Planung zur Realisierung 10 bis 20 Jahre beanspruchen können.
Wir brauchen in der Bundespolitik dringend Entscheidungsstrukturen, die nicht der wetterabhängigen Gemütslage der politischen Parteien unterliegen, sondern ähnlich einer Unabhängigkeit der Bundesbank solche Langfristprojekte gestalten und führen. 

Das Alles ist nur möglich, wenn Regierung und Opposition die derzeit noch wirksamen Fesseln eines Föderalismus gemeinsam lösen. Die Verkehrpolitik ist nur ein Beispiel. Bei Bildung und Erziehung und im Gesundheitswesen liegen die Defizite vom Ausmaß her ähnlich. 
Wir reden hier über ein Finanzierungsvolumen von vielen hundert bis tausend Milliarden EUR innerhalb von 10 Jahren. Das können wir nicht mit Doppelwumms stemmen. Hier müssen Synergien im Bereich staatlicher und halbstaatlicher Strukturen gehoben werden.

Dipl.-Betriebswirt Rainer Willing, Redakteur und Herausgeber