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Drucken 03-04-2018 | Digitalisierung

Erst denken. Dann digitalisieren.

Seit rund einem Jahr befinden sich die Gastronomie, aber auch der Getränke- und Lebensmittelgroßhandel im Umbruch. Allianzen werden geschmiedet, IT-Unternehmen zu teilweise immensen Summen übernommen, Onlinebestellsystem eingeführt, der Markt mit neuen, cloud-basierten Kassen oder anderen digitalen Lösungen überschwemmt. Immer mehr Gastronomen investieren in die Digitalisierung – und hoffen, dass damit ihre Probleme, angefangen von der gesetzeskonformen Datenverarbeitung bis hin zum Fachkräftemangel, gelöst sind.

Doch im Aktionismus vergessen viele den Blick auf das große Ganze. Denn entscheidend ist nicht der Einsatz von digitalen Lösungen, sondern die Frage, welche Ziele man damit erreichen kann und will. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die, die mit digitalen Daten schon seit längerer Zeit erfolgreich umgehen: Amazon beispielsweise arbeitet mit einer radikalen Kundenorientierung. Im Prinzip weiß der Riese aus den USA manchmal schon, was die Kunden wollen, bevor diese selbst das Bedürfnis haben.

Wie machen die das? Bei Amazon stehen nicht, wie vielfach angenommen, die Daten und Algorithmen im Mittelpunkt, sondern der Kunden und dessen Erwartungen. Die Basis ist das Wissen über den Kunden und über die eigenen Prozesse, also die Daten. Je umfassender dieses Wissen ist, desto mehr kann man aus der Digitalisierung herausholen.

Allerdings hilft einem das nur weiter, wenn man die Daten in einen Kontext stellt bzw. nach bestimmten logischen Regeln in Hinblick auf ein zu lösendes Problem auswertet. Die Basis für die Entwicklung solcher Regeln muss also die Kenntnis des zu lösenden Problems sein. Es geht primär nicht darum was alles geht, sondern wohin bzw. was man will. Daraus lassen sich dann systematische, logische Regeln, also Algorithmen, entwickeln.

Um die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen zu können, braucht man

1. einen klaren Plan, welche Ziele man erreichen möchte,
2. eine geeignete Datenstruktur, die die angestrebten Ziele ermöglicht,
3. eine optimale IT-Lösung, die die Daten umfassend verarbeiten kann, sowie
4. ein konsequentes Datenmanagement.

Hat man seine Ziele definiert, stellt sich die Frage, welche Daten benötigt werden, damit die Anwendung der Regel zur Problemlösung führt. Bei Entscheidungen über IT-Systeme, gleichgültig ob Kasse, Bestellsystem, ERP-System oder andere digitale Lösungen, wird das häufig übersehen. Jede IT-Anwendung fußt auf einer Datenstruktur. Wenn diese entweder den notwendigen Detaillierungsgrad nicht aufweist, z.B. bei Getränken die Gebindeart nicht erfasst werden kann oder Rezepte nicht mit einzelnen Ressourcen hinterlegt sind, können auf diesen Daten aufsetzende Regeln nicht ausgeführt werden.
Mindestens genauso gravierend ist aber die Datenqualität. Falsch zugeordnete Daten führen zu falschen Ergebnissen bei der Auswertung. Wird beispielsweise ein neues Gericht in der Kasse so angelegt, dass ein alter Datensatz mit neuem Namen versehen aber die darunterliegenden Ressourcen nicht geändert werden, versagt das beste Ressourcenmanagement und die Auswertungen von Verbräuchen liefern falsche Ergebnisse.

Das Datenmanagement ist eine große Herausforderung, denn die Gastronomie hat bislang kaum mit systematischen Analysen gearbeitet, war auf eine saubere Erfassung von Daten nicht angewiesen. Dem entsprechend fehlt die Sensibilität für Datenqualität und die wird auch nicht einfach entstehen, nur weil eine neue Software installiert wurde. Will man trotzdem eine ausreichende Datenqualität sicherstellen, müssen möglichst viele dieser Daten aus übergeordneten Datenquellen wie Produktkatalogen der Lieferanten kommen oder im System erzeugt werden. Dies gelingt mit komplett integrierten Systemen – Bestellsystem, Warenwirtschaft, Kasse - wesentlich besser als mit mehreren unabhängigen Lösungen, die im schlimmsten Fall nicht miteinander kompatibel sind.
Vor der Systementscheidung für die Digitalisierung sollte zunächst eine Definition der Ziele erfolgen und dann eine Analyse, welche Datenstruktur dafür notwendig ist. Dabei ist zu beachten, dass Lösungen, die ursprünglich für einen bestimmten Zweck entwickelt wurden, z.B. als Kasse oder als Bestellsystem, auch nur über die dafür erforderlichen Daten verfügen und auch nur diese verarbeiten können, wenn bei deren Entwicklung nicht bereits eine umfassendere Nutzung angedacht wurde.
Für die Digitalisierung gilt: die Datenstruktur und das Datenmanagement folgen der Strategie. Und dann erst kann eine Entscheidung für ein IT-System erfolgen, das allerdings jederzeit in der Lage sein muss, alle anfallenden Daten zu verarbeiten, um die gewünschten Ziele zu erreichen.

Dr. Thomas Meuche ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Hof, Beirat bei mehreren Familienunternehmen und beschäftigt sich als Gesellschafter der ServicePlus GmbH intensiv mit der Digitalisierung der Gastronomie. ServicePlus hat ein integriertes Gastro-Managementsystem entwickelt.

Andreas Türk
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