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Drucken 08-04-2021 | Aus der Heimat

Weg mit Einweg-Plastik

08.04.2021 
Interview mit Sonia Grimminger vom Umweltbundesamt //
Einweg-Plastik wird verboten: Der Bundestag und Bundesrat haben der Verordnung zugestimmt. Sie soll am 3. Juli 2021 in Kraft treten. Was sind die wichtigsten Gründe für die neue Verordnung?
Sonia Grimminger: Die Einwegkunststoffverbotsverordnung dient der Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie. Die neuen EU-Vorgaben zielen darauf ab, die Auswirkungen bestimmter Einwegprodukte aus Kunststoff auf die Umwelt zu verringern. Dazu werden die sogenannten Top 10 Litter Items adressiert, welche laut Untersuchungen die am häufigsten an europäischen Stränden gefundenen Einwegkunststoffprodukte sind und erheblich zur Meeresvermüllung beitragen. Mittels von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Verboten sowie unter anderem Vorgaben zu Verbrauchsminderungen und Kennzeichnungen soll grenzüberschreitend eine Verminderung des Meeresmülls erreicht werden.

Das Inverkehrbringen von allen Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff wird generell verboten.

Außerdem werden Einweggetränkebecher und -behälter sowie Einweg-to-go-Lebensmittelbehältnisse aus expandiertem Polystyrol (EPS) einschließlich ihrer Deckel und Verschlüsse verboten. Des Weiteren sind vom Verbot des Inverkehrbringens folgende Einwegprodukte aus Kunststoff umfasst: Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe.

Für die von der Einwegkunststoffverbotsverordnung umfassten Einwegkunststoffprodukte gibt es bereits gute Alternativen. Um Abfälle von Einwegprodukten und -verpackungen zu vermeiden, sollte dabei wann immer möglich auf wiederverwendbare Produkte zurückgegriffen werden.

In welchen Bereichen entstehen die größten Verpackungsprobleme?

Grimminger: Der Verbrauch von Verpackungen steigt in Deutschland seit Jahren an. Dafür gibt es neben steigendem Wohlstand verschiedene Ursachen wie einen Trend zu aufwendigeren Verpackungen (z.B. mit Dosierhilfen für Lebensmittel oder Reinigungsmittel), eine Zunahme von Ein- und Zweipersonenhaushalten, die kleinere Verpackungseinheiten nachfragen und der zunehmende Onlinehandel, durch den riesige Mengen Einwegversandverpackungen als Abfall anfallen. Um unsere Ressourcen zu schonen und Verpackungsabfälle zu vermeiden, können unter anderem der Materialeinsatz bei zu aufwendigen Verpackungen reduziert sowie Unverpackt-Konzepte und Mehrwegverpackungssysteme eingesetzt werden.

Darüber hinaus gibt es bestimmte Einwegverpackungen und -produkte, die typischerweise Außer-Haus als Abfall anfallen oder die zumindest praktisch für unterwegs sind. Dazu zählen unter anderem Becher für Heiß- und Kaltgetränke, Take-Away-Essensbehälter, Getränkeflaschen und -kartons und Folien-Lebensmittelverpackungen beispielsweise von einzelnen Müsli- oder Schokoriegeln. Wenn diese Abfälle unsachgemäß in der Umwelt entsorgt werden, durch Verwehungen aus Abfalleimern oder auf anderem Weg in die Umwelt gelangen, haben vor allem Kunststoffe negative Auswirkungen auf Ökosysteme und sind eine Gefahr für Lebewesen.

Wie lauten die wichtigsten Meilensteine bei der Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie?

Grimminger: Wie eingangs erwähnt, müssen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen bestimmter Einwegkunststoffprodukte (z.B. aus Kunststoffen bestehende Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme etc.) gemäß der Einwegkunstoffverbotsverordnung bis zum 3. Juli 2021 verbieten. Einwegkunststoffgetränkebecher, verschiedene Hygieneartikel, Feuchttücher und Tabakprodukte müssen ab dem 3. Juli 2021 bei Inverkehrbringen eine Kennzeichnung tragen, die darüber informiert, dass diese Produkte Kunststoff enthalten und deren unsachgemäße Entsorgung negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Diese Vorgabe soll in Deutschland mit der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung umgesetzt werden. Die Verordnung wird rechtzeitig erlassen werden.

Aktuell wird zudem über einen Entwurf für die Novelle des Verpackungsgesetzes beraten. Diese dient unter anderem dazu, die von der EU-Einwegkunststoffrichtlinie vorgegebene Verbrauchsminderung von Einwegkunststoffgetränkebechern und -essensbehältern (inklusive ihrer Deckel und Verschlüsse) bis 2026 gegenüber 2022 zu erreichen. Geplant ist eine grundsätzliche Mehrwegangebotspflicht ab 2023.

Die Novelle sieht infolge der Getrenntsammlungsziele der Richtlinie auch eine grundsätzlich ab 2022 geltende Pfandpflicht für alle Einwegkunststoffgetränkeflaschen und Getränkedosen vor. Hinzu kommen Vorgaben für einen Mindestgehalts an Kunststoffrezyklat (25 % ab 2025, 30 % ab 2030) in Einwegkunststoffgetränkeflaschen entsprechend der Richtlinie.

Zudem werden erste Überlegungen angestellt, wie Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte für einige der durch die Abfälle dieser Produkte verursachten Kosten entsprechend der Richtlinienvorgaben aufkommen können. Davon betroffen sein werden Hersteller von Einwegkunststoffgetränkebechern und -behältern, Einweg-to-go-Lebensmittelbehältnissen aus Kunststoff, leichten Kunststofftragetaschen, Feuchttüchern, Luftballons und Tabakprodukten mit Filtern bzw. Filtern, die zur Verwendung in Kombination mit Tabakprodukten vertrieben werden.

Wo sehen sie die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Vorgaben?

Grimminger: Zwar verbleiben vor allem Kunststoffe lange in der Umwelt und richten dort sowohl als Makro- als auch als Mikroplastik Schäden an. Trotzdem sollten wir möglichst nicht einfach von Einwegkunststoffprodukten auf Einwegprodukte aus anderen Materialien umsteigen. Denn dadurch werden unsere Abfallmengen nicht verringert und es gelangen wahrscheinlich weiterhin zu viele Abfälle in die Umwelt, die dort nicht hingehören. Außerdem sind viele kunststofffreie Materialien bisher nicht recyclingfähig, das betrifft z.B. Einwegprodukte aus Holz und aus Verbundmaterialien. Sie können nach der aufwendigen Herstellung und einmaligen Nutzung nur noch energetisch verwertet werden. Deswegen sollten wir soweit möglich bereits verfügbare wiederverwendbare Produkte einsetzen und es sollten weitere Wiederverwendungsoptionen geschaffen werden, wo diese noch fehlen. Wir sehen das beispielsweise bei Mehrweggetränkeflaschen oder Mehrweg-Coffee-to-go-Bechern, die bei jeder Wiederverwendung den Abfall einer Einwegflasche oder eines Einwegbechers einsparen.

Wenn gewohnte Einweganwendungen wegfallen, müssen Konsumgewohnheiten umgestellt werden und auch beim Verkauf und bei der Produktion stehen teilweise Änderungen an. Das braucht natürlich einige Anstrengung, aber dadurch können wir geringere Ressourcenverbräuche erreichen und die Gefährdung der Umwelt senken.

Weitere Details zu den Neuerungen für Handel und Gastronomie durch die Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie und die geplante Novelle des deutschen Verpackungsgesetzes, erläutert Sonia Grimminger am 15. April 2021 bei der EHI-Session „Nachhaltige Verpackungslösungen für Gastronomie und Lebensmittelhandel". Außerdem erwarten Sie im Livestream weitere Fachbeiträge zu nachhaltigen Verpackungslösungen u. a. von EatHappy, Vytal und reCup. Melden Sie sich jetzt kostenfrei an!