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Drucken 28-08-2020 | Lieferdienste | Markt & Trend

Wie stark ist Delivery Hero überbewertet?

In dieser Woche hatte Delivery Hero (Symbol: DHER) die Ehre, Wirecard im DAX, der Edeltruppe der Deutschen Wirtschaft, zu folgen. Ob damit auch ein würdiges Mitglied in die Dax-Familie aufgenommen wurde, ist alles Andere als klar. Zu groß sind die Widersprüche. Nicht wenige Kommentatoren stören sich daran, dass DHER

  • noch nie einen Gewinn vorweisen konnte;
  • trotz Umsatzsteigerung die Verluste signifikant ausweitet;
  • das Geschäftsmodell durch die Expansion in ferne Märkte intransparent ist und systembedingte unkalkulierbare Risiken in sich birgt.

Aktuell korrigiert die Börse die Bewertung von DHER nach unten. Rund 8 % verliert die Aktie in ihrer ersten DAX-Woche.

Angesichts der Tatsache, dass DHER im 1. Hj 2020 den Umsatz (pandemie-bedingt) gg dem Vorjahreszeitraum auf 1,1 Mrd EUR verdoppeln kann, andererseits aber auch den Verlust auf 460 Mio EUR verdoppelt, stellt sich die ernsthafte Frage nach der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Gerade durchdigitalisierte Unternehmen sollten in der Lage sein, Umsatzsteigerungen direkt in Degressionseffekte in den Kostenstrukturen zu nutzen, um damit die auch betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit ihres Geschäftsmodells zu belegen. Dass die deutliche Ausweitung der Verluste mit der Pandemie begründet wird, muss zudem Zweifel an der Qualität des eigenen Zahlenwerkes aufkommen lassen.
Und genau hier stellt sich noch einmal die Frage nach dem Geschäftsmodell. Wie zukunftsfähig ist eine Expansionsstrategie, die den scharf kalkulierten Absatzmarkt Westeuropa im Wesentlichen ausklammert, um sich auf Länderregionen mit unterentwickelten staatlichen, gesellschaftlichen und arbeitsrechtlichen Strukturen zu konzentrieren. Die Frage ist schon deshalb berechtigt, weil Investoren in DAX-Unternehmen gewohnt sind Unternehmensangaben Glauben zu schenken und nicht kalkulierbare Risiken scheuen. Mit der Geschwindigkeit, mit der DHER weltweit Lieferplattformen kauft und wieder verkauft, teils Beteiligungen hält, erschwert Analysten jegliches Bemühen, einen objektiven Wert des Unternehmens zu fixieren.

Gründer und CEO Niklas Östberg hat sich in 2019 von seinen deutschen Lieferplattformen Foodora, Pizza.de und Lieferheld getrennt und dafür einen stattlichen Erlös des 10-fachen des Umsatzes von 100 Mio EUR erhalten, davon entfielen 15,5% der Anteile an takeaway.com. Ein beachtenswerter Mrd-Deal, der den smarten Schweden noch selbstsicherer in seiner Expansionsfreude macht. Der Deal ist auch ein strategisches Glanzstück, denn DHER hält sich dadurch einen bedeutenden Wettbewerber auf dem westeuropäischen Markt gewogen und kann sich auf ein neues, aber naheliegendes Geschäftsmodell für diesen Markt konzentrieren: Ghost Restaurants.

Dass DHER mit diesem Geschäftsmodell den Partner-Restaurants im Lieferservice Konkurrenz machen würde, passt in die Denke eines von der Marktbeherrschung besessenen Jungunternehmers.
(Red. R. Willing)