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Drucken 12-02-2014 | Ernährung und Gesundheit

Allergenmanagement in der Praxis: Fresenius-Intensivseminar in Köln informiert über Status Quo

Neuigkeiten zu den Themen Deklaration, Management und Analytik

Dortmund, Köln, 12. Februar 2014

Mehr als 17 Millionen Lebensmittelallergiker leben in Europa. 3,5 Millionen von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Insbesondere die Zahl der Kinder, die mit lebensbedrohlichen allergischen Reaktionen in die Notaufnahme eingeliefert werden, hat sich in den letzen 10 Jahren um das Siebenfache erhöht. Wie Unternehmen das Thema Allergene handhaben sollten, welche rechtlichen Neuerungen anstehen und was sich derzeit in der Erforschung tut, erfuhren die Teilnehmer des Intensivseminars "Allergenmanagement in der Praxis" der Akademie Fresenius vom 4. bis 5. Februar 2014 in Kön.

Dr. Christoph Meyer (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) stellte auf dem Intensivseminar die wichtigsten Kennzeichnungsregeln für Allergene gemäß der neuen Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) vor. Ab 13. Dezember 2014 löst diese das bislang geltende Recht ab. Die Verordnung trifft Aussagen über die Kennzeichnung unbeabsichtigter Spuren von Allergen, von vorverpackten sowie lose abgegebenen Lebensmitteln. Bei freiwillig bereitgestellten Informationen müssten die Lebensmittelhersteller darauf achten, dass diese für den Verbraucher nicht irreführend, zweideutig oder missverständlich sein dürften und ggf. auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen müssten, begann Meyer. Die künftige Kennzeichnung vorverpackter Lebensmittel sehe die Nennung aller Zutaten, Verarbeitungshilfsstoffe und Derivate laut Anhang II der LMIV im Zutatenverzeichnis vor, die bei der Herstellung oder Zubereitung des Lebensmittels verwendet wurden und die - ggf. in veränderter Form - im Enderzeugnis vorhanden sind und die Allergien bzw. Unverträglichkeiten auslösen können. Diese müssten nun hervorgehoben sein. Wenn kein Zutatenverzeichnis erforderlich sei, müsse der Hersteller seiner Kennzeichnungspflicht mit der Angabe der allergenen Zutat nach dem Wort "Enthält..." nachkommen, so Meyer. Eine Angabe sei nur dann nicht erforderlich, wenn die Verkehrsbezeichnung eindeutig auf den betreffenden (allergenen) Stoff oder das betreffende Erzeugnis hinweise.

Stand der Diskussion hinsichtlich "loser Ware"

Die Mehrzahl aller allergischen Reaktionen bei Lebensmitteln ist auf lose Ware zurückzuführen. Unter dieser wird jedes nicht vorverpackte sowie diejenigen Lebensmittel verstanden, die auf Wunsch der Verbrauchers am Verkaufsort verpackt oder im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden. Die EU-Mitgliedstaaten können nationale Vorschriften darüber erlassen, auf welche Weise und ggf. in welcher Form die Angaben zu machen und darzustellen sind. Zur aktuellen Situation in Deutschland berichtete Meyer, das Bundesministerium führe seit Mai 2012 Gespräche mit den Wirtschafts- und Betroffenenverbänden über die konkrete Ausgestaltung einer nationalen Regelung zur Allergenkennzeichnung loser Ware. Laut Planung des Ministeriums könne eine solche Regelung Bestandteil einer Artikelverordnung zur notwendigen Anpassung nationaler Vorschriften an die LMIV werden. Ein Referentenentwurf diesbezüglich werde für das Frühjahr erwartet, der, ebenso wie die LMIV, zum 13. Dezember 2014 in Kraft treten soll. Mit einer Veröffentlichung des Entwurfs könne im Herbst gerechnet werden, schloss Meyer.

Risikofaktor Produktumstellung

Besonders häufig kommt es zu Allergieproblemen, wenn Verbraucher nicht über Rezepturänderungen in Lebensmitteln informiert werden und dementsprechend nichts vom Vorhandensein allergener Zutaten in vermeintlich bekannten Produkten ahnen. Die Problematik gehöre zu den gefährlichsten Stolpersteinen bei der Allergenkennzeichnung, betonte Sabine Schnadt (Deutscher Allergie- und Asthmabund, DAAB). Ähnliche Schwierigkeiten würden auch nicht gekennzeichnete unbeabsichtigt vorkommende Allergene oder Kreuzkontaminationen verursachen - wohingegen die andererseits nicht geregelte und verbreitete Verwendung der so genannten Spurenhinweise aus Verbrauchersicht eine informierte Kaufentscheidung für verträgliche Lebensmittel enorm erschwere. Schnadt wies darauf hin, dass der DAAB ein Schnell-Infosystem - den so genannten Allergy Alert - eingerichtet habe. Über diesen Newsletter wird den Unternehmen die Möglichkeit gegeben, bei Rezepturänderungen, nicht gekennzeichneten Zutaten oder unbeabsichtigten Allergeneinträgen die betroffene Zielgruppe direkt ohne Streuverluste zu informieren und rechtzeitig zur Vorsicht aufzurufen. Passend dazu führte Dirk Nikoleiski (Mondel?z International) an, dass Risikobewertungen und Gefahrenanalysen zusätzlich zur laufenden Überwachung von bestehenden Kontrollprogrammen immer dann erfolgen sollten, wenn Produktneueinführungen mit neuen Allergenen, modifizierte Allergenprofile von Produkten durch Rezepturänderungen oder Änderungen im Produktionsprozess zu verzeichnen seien. Die Verwendung von Checklisten sei bei der Analyse empfehlenswert, wenngleich die Bewertung in jedem Fall Expertenwissen erfordere, so Nikoleiski. Abschließend verdeutlichte der Experte, dass ein kompletter Ausschluss von Allergenen unmöglich sei. Die Zielvorgabe müsse deshalb in einer
Risikominimierung bestehen.

ELISA-Methoden sind "state of the art"

Die so genannten ELISA-Methoden (ELISA = Enzyme Linked Immunosorbent Assay) sind für viele Allergene momentan "state of the art" zum Nachweis und zur Quanitifzierung. Die antikörperbasierten Tests kommen unter anderem bei der Überprüfung von Rohstoffen und Zutaten, in der Reinigungsvalidierung sowie in der Lebensmittelüberwachung zum Einsatz. Die Verfahren liefern schnell quantitative Ergebnisse, sind spezifisch und sensitiv und relativ einfach in der Durchführung. Eine ihrer Stärken bestehe darüber hinaus in einem spezifischen Proteinnachweis, wobei nicht zwingend immer das allergieauslösende Protein nachgewiesen werde, gab Dr. Martin Röder (Institut für Produktqualität) zu Bedenken. Die Möglichkeit, falsche positive Ergebnisse zu erhalten, sei als eine der Hauptschwächen von ELISA zu nennen. Röder riet dazu, auch bei allergiefreien Nachfolgeprodukten nach Möglichkeit stets auch das Vorprodukt zu testen und sich ein "Labor des Vertrauens" zu suchen, dass sich auf llergenanalytik
spezialisiert habe und daher umfassend beraten könne. Die Allergenanalytik sei sehr komplex, sodass nur die Spezialisierung und Anwendung aller verfügbaren Methoden ein
verlässliches analytisches Ergebnis ermöglichen könne, so Röder.

Während sich ELISA insbesondere bei der Untersuchung von Milch, Ei und Gluten etabliert hat, wird für weitere Allergene immer öfter ein molekularbiologischer Nachweis
mittels real-time PCR gewählt. Diese Methode sei speziell für Routine-Screenings sehr interessant, da sie sehr spezifisch sei und sensitive Nachweise auch parallel als so
genanntes Multiplexing zumeist ausreichend möglich wären, erläuterte Hans-Ulrich Waiblinger (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg). Prinzipiell sei auch eine
Quantifizierung über real-time PCR machbar: Die matrixadaptierte Quantifizierung habe man bereits in Ringversuchen erprobt, führte Waiblinger an. Zusätzlich böten
Standardadditionsverfahren eine matrix-unabhängige Option.

Massenspektrometrische Verfahren im Trend

Neben ELISA und real-time PCR kommt massenspektrometrischen Verfahren in der Allergenanalytik eine immer größere Bedeutung zu. Dr. Thomas Glauner (Agilent Technologies) stellte die neue Methodik in Köln genauer vor: Die LC/MS/MS-Methoden seien äußerst selektiv und nachweisstark und dazu in der Lage, verschiedene Allergene gleichzeitig zu untersuchen (Multi-Target-Methoden), begann er. Der zentrale Vorteil von LC/MS liege in der Detektion, Quantifizierung und Bestätigung von Allergenen mit nur einer einzigen analytischen Methode. Aufgrund dessen gewinne die Allergenanalytik mittels LC/MS derzeit an Attraktivität und die Anzahl der Publikationen zu diesem Thema nehme deutlich zu.Zielverbindung für die massenspektrometrische Bestimmung von Allergenen sei die Primärstruktur der Proteine und Peptide, erklärte Glauner. Dies habe zur Folge, dass auch verarbeitete Lebensmittel zuverlässig quantifiziert werden können - die ELISA-Methoden stoßen hier an Grenzen. Glauner betonte, dass Multiallergen-Methoden den Nachweis vonAllergenen in Lebensmitteln mit derselben Nachweisempfindlichkeit wie Einzelmethoden erlauben und gleichzeitig Kosten einsparen. In seinem Fazit plädierte der Experte dafür, zur weiteren Entwicklung Labor-Vergleichsuntersuchungen für LC/MS-Methoden durchzuführen.

Gluten als analytische Herausforderung

Ein Inhaltsstoff, der sich auf dem Vormarsch befindet und in der Praxis immer noch viele Fragen aufwirft, ist Gluten. Dessen Quantifizierung sei eine analytische
Herausforderung, da es extrem kompliziert zusammengesetzt sei, berichtete Prof. Dr. Peter Köhler (Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie). Bislang müsse man die Quantifizierung von Gluten als ungenau bezeichnen, weil Konzentrationen auf Basis eines Prolamin/Glutelin-Verhältnisses von 1 berechnet würden. Die Bestimmung des wahren Glutengehalts vieler Lebensmittel sei aufgrund dessen derzeit nicht möglich. Um den Glutengehalt nicht mehr berechnen zu müssen, sondern diesen experimentell zu bestimmen, sei es erforderlich, zusätzliche Antikörper für Gluteline zu entwickeln, verdeutlichte der Experte. Ebenso würden analytische Methoden zur Bestätigung der bisherigen ELISA-Ergebnisse dringend benötigt. Die Hoffnung liege im Besonderen auf nicht-immunchemischen Methoden wie LS/MS, so Köhler.

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.

Kontakt:
Die Akademie Fresenius GmbH
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